Menschenrechte in Polen

Mit der Demokratisierung des politischen und gesellschaftlichen Lebens, die eine Folge der Wende von 1989 war, hat Polen die internationalen Regelungen zum Schutz der Menschenrechte voll akzeptiert. Im Ergebnis dieser Änderungen wurden viele Vereinbarungen ratifiziert und internationale Kontrollmechanismen eingeführt.

Diese Maßnahmen zeugen vom demokratischen System in Polen, von Rechtschaffenheit und der Wahrung der Menschenrechte. Sie waren ein wichtiger Schritt auf dem Weg in den Europarat und in die Nato sowie bei der Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft.

Polens Mitarbeit an der KSZE-Schlussakte

Die Idee zur Einberufung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war in den 60er Jahren entstanden. Es war ein Versuch, die politische und militärische Rivalität zwischen dem Warschauer Pakt und der Nato zu entschärfen. 1995 wurde die Konferenz in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umgewandelt. Polen hatte zu den Initiatoren dieses Treffens gehört – auf dem Forum der UN-Generalversammlung am 14. Dezember 1964 hatte Außenminister Adam Rapacki die Einberufung einer europaweiten Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit vorgeschlagen. Im August 1975 wurde mit der KSZE-Schlussakte der Rahmen für eine friedliche Zusammenarbeit der Länder „von Vancouver bis Wladiwostok“ gesetzt. Das Engagement bei der Verwirklichung der in der Akte enthaltenen Beschlüsse und die aktive Teilnahme am OSZE-Forum wurden zu Grundpfeilern der polnischen Außenpolitik.

Die Anfänge der Bürgerorganisationen

Die Annahme der KSZE-Schlussakte führte in den damals sozialistischen Staaten zur Entstehung von Organisationen und Bürgerbewegungen, die sich den Schutz der Menschenrechte auf ihre Fahnen schrieben.

Das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) entstand als Reaktion auf Repressionen der Staatsführung gegen die Teilnehmer an Arbeiterprotesten im Juni 1976. Das Hauptziel des KOR waren finanzielle Unterstützung und Rechtsbeistand für verfolgte Arbeiter. Nachdem diese wieder frei waren, formte sich das KOR 1977 in das Komitee der gesellschaftlichen Selbstverteidigung „KOR“ um. Die nächste oppositionelle Gruppierung hieß Bewegung für Menschen- und Bürgerrechtsverteidigung (ROPCiO) und wirkte 1977-1981. Diese Bewegung wollte ihre Ziele durch Strukturveränderungen erreichen. Man träumte vom Aufbau eines bürgerlichen Rechtsstaates und wollte Polen vom Einfluss der UdSSR unabhängig machen.

Von den damals entstandenen Organisationen ist das 1982 einberufene Helsinki-Komitee in Polen bis heute aktiv. Es kontrolliert die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Diese werden in den von Polen angenommenen internationalen Vereinbarungen und KSZE/OSZE-Dokumenten garantiert. Das Komitee ist Mitglied der Internationalen Helsinki-Föderation der Menschenrechte (IHF) mit Sitz in Wien.
Die sich Ende der 70er Jahre verschlechternde politische und wirtschaftliche Situation in Polen führte u. a. zur Bildung freier Gewerkschaften.

Im Ergebnis eines gewerkschaftlich organisierten Werftarbeiterstreiks in der Danzig Werft wurde 1980 mit dem Einverständnis der Staatsführung die Unabhängige Gewerkschaft „Solidarität“ (Solidarnosc) gegründet. Sie wuchs sehr schnell zu einer Massenbewegung mit 10 Mio. Mitgliedern. Durch das im Dezember 1981 eingeführte Kriegsrecht wurde die legale Tätigkeit der Bürger- und Arbeiterbewegungen stark eingeschränkt. Fortan war man gezwungen, sich im Untergrund für die Menschenrechte einzusetzen. Die Anerkennung der internationalen Öffentlichkeit für die Leistungen der demokratischen Opposition in Polen zeigte sich 1983 in der Vergabe des Friedensnobelpreises an den „Solidarnosc“-Führer und späteren polnischen Präsidenten Lech Walesa.

Die Katholische Kirche spielt beim Schutz der Menschen- und Bürgerrechte in Polen eine wichtige Rolle. In der Zeit des Kriegsrechts (13. 12. 1981 bis 31. 12. 1982) wurde auf Initiative von Primas Kardinal Stefan Wyszynski das Primas-Komitee der um ihre Freiheit Gebrachten und ihrer Familien gegründet, dessen karitative Tätigkeit viele Vertreter aus der Welt der Kultur unterstützten.

Die polnische Verfassung – Fundament der Freiheit sowie der Menschen- und Bürgerrechte

Das demokratische Polen sichert seinen Bürgern die Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Sie werden in Rechtsakten garantiert, von denen die 1997 verabschiedete Verfassung der Republik Polen die größte Bedeutung hat. In Artikel 30 heißt es: „Die Würde des Menschen ist ihm angeboren und unveräußerlich. Sie bildet die Quelle der Freiheiten und Rechte des Menschen und des Staatsbürgers. Sie ist unverletzlich, ihre Beachtung und ihr Schutz ist Verpflichtung der öffentlichen Gewalt.“ Die Verfassung gewährleistet auch Angehörigen nationaler und ethnischer Minderheiten in Artikel 35 „…die Freiheit der Erhaltung und der Entwicklung der eigenen Sprache, der Erhaltung von Bräuchen und Traditionen sowie der Entwicklung der eigenen Kultur.“

Staatliche Organe, die über die Wahrung der Menschenrechte wachen

In Polen wird konsequent am Ausbau des Rechtsstaates gearbeitet. Wichtige Elemente sind dabei das gesetzestreue Handeln der Führung und das rechtmäßige Funktionieren der Institutionen, die über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte wachen.

Das polnische Parlament ist bezüglich Menschenrechtsfragen sehr empfindsam, was aus seiner Tätigkeit deutlich wird. Die Parlamentarische Kommission für Justiz und Menschenrechte befasst sich mit der Wahrung der Rechte, Rechtschaffenheit und Menschenrechtsfragen.

Im Einvernehmen mit der zweiten Kammer, dem Senat, beruft das polnische Parlament einen Bürgerrechtsbeauftragten. Dieses Verfassungsorgan wacht über den Schutz der Gesetze und Freiheiten, die in der Verfassung und in anderen normativen Akten garantiert sind. Der Bürgerrechtsbeauftragte hat umfangreiche Kompetenzen und verfügt über verschiedene Handlungsmittel, mit denen er wirkungsvoll die Interessen jedes Bürgers vertreten kann, dessen Rechte verletzt wurden.

Der Verfassungsgerichtshof wacht über die in Polen geschaffenen Gesetze sowie über die Vereinbarkeit polnischer Gesetze und Verordnungen mit internationalen Verträgen, die von Polen ratifiziert wurden. An das Verfassungsgericht kann sich jeder wenden und eine Verfassungsklage einreichen, „dessen verfassungsrechtliche Freiheiten oder Rechte verletzt wurden“, wie es im Artikel 79 des polnischen Grundgesetzes heißt. Auch die unabhängigen Gerichte sind ein Garant für die Achtung der Menschenrechte.

Nichtstaatliche Organisationen

Das Jahr 1989 brachte auch für alle nichtstaatlichen Organisationen eine Wende. Damals hat sich u. a. die polnische Struktur von Amnesty International gebildet. Diese Organisation ist Teil einer weltweiten Bewegung, die sich auf die Idee der Grundrecht stützt. Im gleichen Jahr nahm ein unabhängiges Bildungs- und Forschungsinstitut seine Arbeit auf – die polnische Helsinki-Stiftung für Menschenrechte. Sie ist ein eine erfahrene und professionelle nichtstaatliche Organisation, die sich mit Menschenrechtsfragen befasst.

Polens Wirken auf internationaler Ebene

Als eines der ersten Mitglieder hat Polen in der UN schon vor 1989 einen bedeutenden Teil der internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Erst nach der Rückkehr der Demokratie wurden diese Rechte als ein Thema der internationalen Öffentlichkeit anerkannt. In der Volksrepublik Polen hatte man sie als innere Angelegenheit behandelt. Polen hat den Internationalen Pakt für Bürger- und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert, die sich auf die UN-Menschenrechtsverträge stützen.

Unter den Menschenrechtskonventionen, die von der UN angenommen wurden, sind zwei auf polnische Initiative erarbeitet worden: die „Konvention über die Nichtanwendbarkeit der Verjährung auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und die „Konvention über Rechte des Kindes“. Ihre Annahme durch die internationale Öffentlichkeit kann als ein Erfolg der polnischen Diplomatie gesehen werden.

Im Jahr 2002 wurde die Führung der UN-Menschenrechtskommission zum zweiten Mal nach 1972 einem Vertreter Polens übertragen. Dies spricht für Polens aktiven Einsatz und seinen Beitrag für den Schutz der Menschenrechte in den letzten zehn Jahren. Die Bedeutung dieser Entscheidung hat Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz vor dem polnischen Parlament gewürdigt: „Wir sollten die Führung der Kommission nutzen, um uns in unserer Außenpolitik besonders mit Menschenrechtsfragen zu befassen.“

Infolge des Engagements in der Internationalen Arbeitsorganisation hat Polen alle Konventionen ratifiziert, die die wesentlichen Punkte zum Schutze der Menschenrechte betreffen. Dazu gehören die ILO-Konvention Nr. 87: Gewerkschaftsfreiheit und Schutz der Gewerkschaftsrechte, die ILO-Konvention Nr. 105: Abschaffung der Zwangsarbeit und die Konvention über Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

In Bezug auf die Unesco hat Polen eine grundlegende Menschenrechtskonvention ratifiziert: die Unesco – Konvention gegen die Diskriminierung im Bildungswesen. Das am weitesten entwickelte System von Standards und zum Schutz der Menschenrechte wurde im Rahmen des Europarats geschaffen. Polen wurde 1991 in den Rat aufgenommen.

Voraussetzung war die Erfüllung von drei Forderungen, die in einem Statut festgeschrieben sind: Errichtung einer repräsentativen und pluralistischen Demokratie, die Gewährleistung der Rechtssicherheit und die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Mit dem Eintritt in den Europarat hat Polen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten angenommen und anschließend eine Erklärung über die Anerkennung der Kompetenz der Europäischen Kommission für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgegeben.

Damit hat Polen das gesamte konventionale System akzeptiert. Dazu gehören hohe Standards, die Inhalt und Kontrolle betreffen, sowie eine über Jahre gewachsene Rechtssprechung der Europäischen Kommission und des Gerichtshof für Menschenrechte. Außerdem hat sich Polen der Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und der Europäischen Sozialcharta angeschlossen.

Mit der Ratifizierung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten haben die polnischen Bürger das Recht erhalten, beim Den Haager Gerichtshof für Menschenrechte individuelle Klagen einzureichen.

Polen ist auch Mitglied vieler anderer regionaler und nationaler Organisationen. Als KSZE/OSZE – Teilnehmer akzeptierte es alle Beschlüsse, die im Rahmen der so genannten Menschlichen Dimension angenommen wurden. Sie beziehen sich auf die Grundlagen für eine repräsentative Demokratie, für Rechtssicherheit und für die Menschenrechte. 1991 hat Polen an der Mitteleuropäischen Initiative mitgearbeitet und sich in Arbeitsgruppen mit Fragen von Minderheiten befasst. Polen hat die 1994 erarbeiteten Instrumente dieser Initiative über den Schutz nationaler Minderheiten unterzeichnet. Auch in der Arbeitsgruppe zur Unterstützung demokratischer Institutionen, die vom Ostseerat gebildet wurde, war Polen sehr aktiv. 1994 wurden außerdem Ämter des Kommissars für Fragen demokratischer Institutionen und Menschenrechte sowie des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten geschaffen.

Engagement zur Lösung des Balkankonflikts

In den Jahren 1992-95 war der erste nichtkommunistische Premier in Polen nach dem Kriege, Tadeusz Mazowiecki, Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission in Bosnien. Die von ihm vorbereiteten Berichte deckten die tragische Wahrheit über das Los der Zivilbevölkerung auf, deren Rechte während des Balkankrieges vielfach verletzt wurden. Nach der brutalen Befriedung von Srebrenica hat er 1995 sein Mandat niedergelegt, weil dies kein „musterhafter Beitrag zum Schutz der Menschenrechte“ gewesen sei. Die Annerkennung der Arbeit von Tadeusz Mazowiecki fand in dem Vorschlag ihren Ausdruck, ihm den Friedensnobelpreis zu verleihen.

Die Funktion des Internationalen Menschenrechtsbeauftragten im Kosovo ist eines der höchsten Positionen zur Vertretung der internationalen Öffentlichkeit, wenn es um die Stabilisierung in dieser Region geht. In Bezug auf Menschenrechte ist es weltweit die höchste Institution. Im Jahr 2000 war Marek Antoni Nowicki in diesem Amt, der zu den Mitbegründern des Helsinki-Komitees in Polen gehört und Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg war, bis diese 1999 aufgelöst wurde. Zu den Aufgaben des Menschenrechtsbeauftragten im Kosovo gehören der Schutz der Rechte und der Freiheit aller Einwohner dieses Gebietes.

Kultur im Dienste der Menschenrechte

Im Jahr 2001 gab es sehr viele Kulturveranstaltungen zum Thema Schutz der Menschenrechte. Im November wurde in Warschau das Festival „Ein Mensch – eine Welt“ organisiert – die erste polnische Ausgabe des internationalen Dokumentarfilmfestivals „One World“. Es richtete sich vorwiegend an junge Menschen, die sich für die aktuellen Probleme der modernen Welt und Gesellschaft interessieren. Unter den Festivalgästen waren berühmte Persönlichkeiten aus der Welt der Medien und Kultur sowie Menschenrechtsvertreter.

Im Dezember 2001 hat die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte mit dem Zentrum für Moderne Kunst Schloss Ujazdowski und mit der Stiftung Junges Kino in Warschau das erste internationale Filmfestival zum Thema Menschenrechte organisiert. Neben Filmvorführungen zu diesem Thema gab es auch Diskussionen mit Experten. Das Festival wollte nicht nur Menschen ansprechen, die sich in nichtstaatlichen Organisationen für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, sondern eine möglichst große, vor allem junge Öffentlichkeit.