Ostern in Polen
Ein farbenfrohes Kirchenfest findet am Palmsonntag statt. In allen Kirchen des Landes wird Jesus triumphaler Einzug in Jerusalem gefeiert. Das Hauptattribut dieser Feierlichkeiten sind Palmen, die jedoch ganz anders aussehen, als jene, mit denen Christus in der Heiligen Stadt begrüßt wurde. Meistens sind es Sträuße aus Buchsbaum, Trockenblumen und Weidenzweigen.
In einigen Regionen werden Palmen gebastelt, die mehrere Meter hoch sind. Sie werden mit bunten Schleifen, mit gefärbten Grashalmen, mit Trocken- oder Seidenpapierblumen geschmückt. Früher glaubte man, dass die während der Messe geweihten Palmen magische Kräfte besitzen und z. B. Krankheiten vorbeugen. Nach der Messe berührte man sich gegenseitig mit den Palmen und wünschte einander Gesundheit, Reichtum und eine gute Ernte.
Am Ostersamstag gehen die Gläubigen in die Kirche, wo die für die Festtafel vorgesehenen Speisen gesegnet werden. Die lange Zeit des Fastens ist damit vorbei. Die polnische Tradition der Weihe von Speisen stammt aus dem 14. Jh. Zuerst wurde nur ein gebackenes Osterlamm geweiht – heute befinden sich im Osterkörbchen mindestens sieben verschiedene Speisen. Das Brot, das Wohlstand und Wohlergehen garantiert, ist für die Christen vor allem das Symbol des Leibes Christi. Das Ei ist ein Zeichen der Wiedergeburt und steht für den Sieg des Lebens über den Tod. Das Salz ist ein lebensspendendes Mineral. Früher glaubte man, dass es alles Böse vertreibe. Die Wursterzeugnisse garantieren Gesundheit, Fruchtbarkeit und Wohlstand. Der Käse symbolisiert die Eintracht des Menschen mit der Natur. Meerrettich verbindet man mit allen möglichen Kräften und körperlicher Stärke. Der Kuchen (vor allem Oster-Napfkuchen und Mazurek) ist als letzte Speise im Osterkörbchen erschienen – als ein Symbol für bestimmte Fähigkeiten und Vollkommenheit. Die Tradition verlangt, dass er hausgebacken ist.
Traditionsgemäß werden die geweihten Nahrungsmittel während des feierlichen Osterfrühstücks nach der sonntäglichen Messe verspeist. Die Familie versammelt sich an einer reich gedeckten Tafel, voller Schinken, Wurst, Pasteten, Rouladen, Braten, Geflügel, Eier, Napfkuchen, Mazureks und Käsekuchen. Es kommen auch warme Speisen auf den Tisch: saure Roggenmehlsuppe mit Weißwürsten oder geräuchertem Schinken, Meerrettichsuppe mit Ei und Weißwürsten oder Rote-Beete-Suppe mit Ei. Die mit weißem Tuch gedeckte Tafel schmücken bunte Ostereier, Frühlingsblumen, Weidenkätzchen, Immergrün, Kompositionen aus grüner Kresse sowie ein Osterlamm aus Teig oder Zuckerguss. Das Frühstück beginnt mit gegenseitigen Wünschen, bei denen man sich ein gesegnetes Ei teilt.
Der Ostermontag ist Tag der Ostertaufe – traditionsgemäß werden Mädchen von den Jungs mit Wasser bespritzt. Es ist kaum feststellbar, was der bis heute aufrechterhaltene Brauch ursprünglich bedeutete. Möglich ist, dass es ein Akt der Reinwaschung war. Vielleicht sollte er auch die Fortpflanzungsfähigkeit und Fruchtbarkeit verbessern, denn in vielen Gegenden wurden am Ostermontag nicht nur Frauen mit Wasser besprengt, sondern auch die Erde (um der besseren Ernte willen) und die Kühe (damit sie mehr Milch geben).
Mit Ostern waren auch regionale Bräuche verbunden. In Krakau war und ist das sogenannte Emaus populär – ein Volksfest, das an den Gang der Apostel in die Stadt Emaus erinnern soll. Die Händler bieten an ihren Ständen ein buntes Allerlei an – Schmuck, Pfeifen, Flöten und Süßigkeiten. Die Krakauer Gesellen und Knechte, die aus den umliegenden Dörfern zum Emaus-Fest kamen, berührten die Mädchen mit Weidenzweigen, um damit ihr Wohlgefallen auszudrücken. Wenn ein Mädchen mehreren Männern gefiel, kämpften sie mit Stöcken gegeneinander. Die Menschen versammelten sich an den Kirchen und beobachteten die Prozessionen der Ordensbrüder, die in voller Rüstung, mit Trommeln, Fahnen und Heiligenbildern durch die Stadt zogen. Heute werden an den Ständen neben traditionellem Spielzeug und Kunsthandwerk auch viele Kitschgegenstände aus Plastik angeboten. Trotzdem ist Emaus nach wie vor ein tolles Fest für Groß und Klein.