Wahlsystem
Das polnische Wahlsystem garantiert – ähnlich wie in anderen demokratischen Ländern – ein korrektes Verfahren zur Wahl einer gewissen Anzahl von Personen, die die gesellschaftliche politische Meinung widerspiegeln. Auch in der Praxis erfüllt es alle Voraussetzungen für die Sicherung der bürgerlichen und demokratischen Freiheiten.
Alle Polen haben ab dem Tage ihres 18. Geburtstages (Volljährigkeit) das aktive Wahlrecht, d. h. sie können Abgeordnete, Senatoren und den Präsidenten wählen. Sie sind nicht wahlberechtigt, wenn sie ihre Bürgerrechte durch eine rechtskräftige Verurteilung eingebüßt haben.
Die Ausübung des passiven Wahlrechts ist ebenfalls abhängig vom Alter. Ein Pole kann Abgeordneter werden, wenn er am Tag der Wahl sein 21. Lebensjahr vollendet hat. Bei der Wahl zum Senator beträgt die Altersgrenze 31 und für das Präsidentenamt 35 Jahre. Ein Kandidat, der sich allgemeinen Wahlen stellt, muss alle Bürgerrechte besitzen.
Die Kandidaten für Abgeordnetenmandate können von allen zugelassenen politischen Parteien oder als Parteilose aufgestellt werden. Ein Präsidentschaftskandidat muss mindestens 100 000 Unterschriften von wahlberechtigten polnischen Bürgern vorweisen.
Das Wahlrecht (die so genannte Wahlordnung) bestimmt die Art und Weise, wie bei Parlamentswahlen (zum Sejm und Senat) und wie bei Präsidentschafts- und Kommunalwahlen abgestimmt wird. Es legt auch die Bedingungen für eine Kandidatur fest. Ferner behandelt es Vorschriften für die Durchführung von Volksbefragungen.
Die Parlaments- und die Kommunalwahlen werden alle vier Jahre, die Präsidentenwahl alle fünf Jahre angesetzt. In besonderen Fällen können die Regierungszeiten der so genannten Wahlorgane verkürzt oder auch verlängert werden.
Die Parlamentswahlen basieren auf fünf Grundprinzipien: sie sind allgemein, gleich, geheim, direkt und proportional.
„Allgemein“ bedeutet, dass sich alle volljährigen polnischen Bürger an den Wahlen beteiligen können und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Rasse, Ausbildung und dem eigenen Vermögen.
„Gleich“ bedeutet, dass jeder Wähler nur eine gültige Stimme abgeben kann und alle gültigen Stimmen gleich gezählt werden.
Mit der Durchführung geheimer Wahlen wird garantiert, dass die Wahlen transparent ablaufen. Es soll vermieden werden, dass die Bürger seitens der Kandidaten bzw. politischen Parteien rechtswidrig unter Druck gesetzt werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass jede Stimme anonym abgegeben wird (der Wahlschein wird nicht unterschrieben). Die Wahlkommission vermerkt lediglich, dass die jeweilige Stimme im Wahllokal abgegeben wurde.
„direkt“ ist gemeint, dass der Wähler seine Stimme direkt für einen Kandidaten oder eine Liste abgibt, ohne Einbeziehung von Wahlmännern wie es z. B. bei den Präsidentenwahlen in den USA der Fall ist.
Bei proportionalen Wahlen kommen Kandidaten aus jenen Listen in den Sejm, die die meisten Stimmen erhalten haben. Für eine Parteiliste wird gestimmt, indem der konkrete Name angekreuzt wird. Die Zahl der Abgeordnetenmandate aus einer Liste wird zur Festlegung der endgültigen Wahlergebnisse in den einzelnen Wahlkreisen nach dem d’Hondt-Verfahren berechnet.
Vom Prinzip der Proportionalität weicht man beim polnischen Wahlsystem grundsätzlich in zwei Fällen ab:
- bei der 5 %-Hürde: Wenn eine Partei weniger als 5 % der gültigen Stimmen erreicht hat, kommt sie nicht ins Parlament.
- bei Kreiswahlen, in denen nur ein Mandat vergeben wird: Bei Ortschaften mit weniger als 30 000 Einwohnern werden die Stimmen für einzelne Kandidaten und nicht für Listen abgegeben.
Kommunalwahlen sind denen zum Sejm ähnlich, unterliegen fast den gleichen Einschränkungen sowie dem Auszählmodus für die abgegebenen Stimmen. Bei den Kommunalwahlen im Oktober 2002 wurden zum ersten Mal in der Geschichte der Dritten Republik (nach 1989) die Gemeindevorsteher, Bürgermeister und Stadtpräsidenten direkt gewählt.
Die Präsidentenwahlen basieren nur auf vier Grundprinzipien: sie sind nicht proportional, weil die Stimmen ausschließlich für Kandidaten und nicht für Parteien abgegeben werden. Die Senatswahlen sind nicht gleich (im Sinn des Wahlrechts), weil die Bürger je nach Wohnort zwei bis vier Senatoren wählen können.
Bei Präsidentenwahlen und Wahlen von Stadtpräsidenten, Bürgermeistern bzw. Gemeindevorstehern braucht der Sieger mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen. Bleibt er darunter, dann findet nach zwei Wochen der zweite Urnengang statt. Es gibt eine Stichwahl der beiden Kandidaten, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Im zweiten Wahlgang siegt der Kandidat mit den meisten Stimmen.
Anders verhält es sich bei Volksabstimmungen. Bei einem Referendum wird eine oder eine Reihe von Fragen gestellt, die konkrete, umstrittene Probleme betreffen, bzw. solche, deren Folgen alle Bürger oder örtlich lokal begrenzt einen bestimmten Personenkreis betreffen. Für die Gültigkeit mancher Volksabstimmungen spielt das so genannte „Quorum“ eine entscheidende Rolle: es besagt, dass mindestens 50 % aller wahlberechtigten Personen ihre Stimme abgeben müssen.
Bei sämtlichen allgemeinen Wahlen in Polen kann man am Wahltag seine Stimme nur persönlich im Wahllokal abgeben – Briefwahl ist dabei ausgeschlossen.. Damit auch kranke und behinderte Personen sowie Häftlinge und polnische Bürger mit Wohnsitz im Ausland wählen können, werden spezielle Wahlbüros gebildet (z. B. in Krankenhäusern, Sozialhilfestationen, Strafanstalten, Botschaften und Konsulaten sowie auf Hochseeschiffen, die unter polnischer Flagge fahren.
In Polen besteht keine Wahlpflicht. Wer nicht zur Wahl geht, muss weder mit strafrechtlichen Konsequenzen noch mit Geldstrafen rechnen.