Partikularismus

Das Scheitern des Senioratsprinzips und die deutsche Ostkolonisation

1138 war es soweit. Der älteste Vorsteher des Pistengeschlechts sollte als Seniorherzog Kleinpolen mit der Haupt- und Krönungsstadt Krakau regieren, die übrigen Mitglieder der Familie als Juniorherzöge in den ihnen zugewiesenen Gebieten herrschen.

Es kam 1146 bereits zum Bruch und Boleslaws Ältester, Wladyslaw der Vertriebene, wurde mit Hilfe des Adels von seinen Brüdern aus Polen vertrieben. Die erhoffte Stärkung der Einheit blieb aus. Vielmehr entbrannten in den nächsten 150 Jahren ständig Kämpfe um Macht und um die Herrschaft in Krakau. Polen zerbrach in eine Vielzahl sich zeitweilig einander bekriegender piastischer Herzogtümer, wodurch die politische Stellung und Autorität Polens im Europa des 13. Jahrhunderts extrem geschwächt wurde (siehe auch Partikularismus). Die Idee der polnischen Einheit lebte weiter in der einheitlichen Kirchenorganisation und der Tradition der großen Adelsgeschlechter sowie in der dynastischen Verbundenheit (Verwandtschaft) aller Herrscher.

Bei der Vertreibung von Mieszko III. 1177 setzten sich die jüngeren Vertreter der Dynastie im ganzen Land durch. Zwar blieb eine gewisse Oberhoheit des Herzogs von Krakau (princeps) erhalten, aber das seniorat, als Herrschaft des Ältesten, wurde endgültig abgeschafft.

1182 hob die Versammlung der polnischen Herzöge und Bischöfe in ?e;czyca das Senioratsprinzip auf und verbriefte Vorrechte der Geistlichkeit. Die Einheit Polens wurde nicht erreicht. Die Fürstentümer der Piasten bestanden weiterhin als (teil-) souveräne Gebilde nebeneinander.

1202 fiel die Senioratsprovinz Kleinpolen mit Krakau an Leszek den Weißen, Sohn Kasimir des Gerechten und durch den Tod seines Onkels Mieszko des Alten brach das Senioratsprinzip auch de facto in Polen endgültig zusammen. Seit jener Zeit galt die Herrschaft über Krakau für die jeweiligen Pistenherzöge als Legitimation für Maßnahmen zur Vereinigung des Landes. In seiner Titulatur erhob Leszek als letzter Herzog Ansprüche auf die Oberhoheit in ganz Polen und versuchte diese ab 1217 auch in Pommerellen durchzusetzen. 1227 trafen sich polnische Fürsten, um sich gegen den Herzog Swantopolk von Pommerellen und Wladyslaw Odonic von Großpolen zu beraten, in Gasawa, wo Leszek bei einem plötzlichen Überfall des Swantopolk ermordet wurde.

In diese Zeit fiel eine verstärkte deutsche Ostkolonisation. Bereits zwischen 1200 – 1250 waren große Teile Pommerns und Schlesiens mit Deutschen und Flamen besiedelt, die durch die einheimischen slawischen Herren, wie die Greifen in Pommern und die schlesischen Piasten ins Land geholt wurden. Die pommerschen Adeligen, ebenso die schlesischen Fürsten versprachen sich eine höhere wirtschaftliche Prosperität und Entwicklung ihrer Ländereien. Aufgrund der Anzahl der Neusiedler und durch den persönlichen Einsatz und Förderung der Ostsiedlung durch die polnischen Dynasten, wurden weite Teile des mittelalterlichen Polens ein Teil des deutschen Sprachraums und verloren im Laufe der Zeit ihren slawischen bzw. polnischen Charakter. Auch öffneten sich einige Regenten, wie zum Beispiel die schlesischen Piasten, freiwillig dem Deutschtum (deutscher Klerus, Heirat mit deutschen Prinzessinen – „Verwandtschaft zum deutschen Hochadel“), was die deutsche Ostkolonisation und das Deutschtum in Schlesien und über die Grenzen Schlesiens hinaus (deutsches Patriziat in polnischen Städten z. B. in Posen, Danzig oder Krakau), zusätzlich begünstigte, waren sie in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht nur polnische Seniorherzöge, sondern auch die mächtigsten Landesfürsten des sich im Partikularismus befindenen Polens überhaupt. Die Entslawisierung und die entsprechende Germanisierung vollzog sich, zumindest auf die Gebiete Pommerns und Schlesiens beschränkt, relativ friedlich und war keine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete. Dieses Faktum wurde und wird historisch jedoch kaum wahrgenommen.

Äußere Eingriffe und teritoriale Verluste

Entwicklung Schlesiens im 12. und 13. Jahrhundert

Der in das Reich geflohene Wladyslaw der Vertriebene gewann die Gunst des Kaisers, welcher für ihn in Polen militärisch intervenierte. Friedrich Barbarossa zwang den polnischen Seniorherzog Boleslaw IV. zur Herausgabe Schlesiens an die Söhne des vertriebenen Herzogs und machte ihn für einen Teil seines Reiches lehnspflichtig. Der neue Seniorherzog zögerte jedoch mit der Herausgabe der schlesischen Provinz und erst im Jahre 1163, unter der Drohung einer neuen kaiserlichen Intervention, händigte er Schlesien an die Söhne Wladyslaws, Boleslaw den Langen und Mieszko Kreuzbein aus (Entstehung der schlesischen Linie der Piasten – siehe auch Schlesische Piasten).

Die einsetzende Einigung Polens durch die schlesische Linie der Piasten wurde mit dem Tod Herzogs Heinrichs des Frommen zu Grabe getragen. Der Herzog verlor im Kampf gegen die mongolischen Horden in der Schlacht bei Liegnitz sein Leben und Schlesien zerfiel in eine Vielzahl kleinerer piastischer Fürstentümer, die nach dem Mongolensturm 1241 nach und nach dem Königreich Böhmen angeschlossen wurden. Obwohl die Reiterhorden des Großkhans siegreich blieben (siehe auch Dschingis Khan), zogen sie sich in die von ihnen eroberten russischen Fürstentümer zurück und wurden für über 250 Jahre die neuen Herren des zerfallenden Reiches der Kiewer Rus. In den folgenden Jahrzehnten unternahmen sie jedoch weitere Raubzüge Richtung Westen, die Polen miltärisch immer schwächer werden ließen, sodass die Nachbarvölker wie die Litauer, die Böhmen oder die Deutschen (Brandenburg, Deutscher Orden) begannen, ihre eigenen Territorien auf Kosten Polens zu erweitern.

Pommern unter den Greifen

Das Land, das sich über die beiden Seiten der Oder (mit Zentrum Stettin) ausbreitet, wurde anfangs des 7. Jahrhunderts von den slawischen Pomoranen besiedelt. Ab dem 10. Jahrhundert gerieten die Pomoranen in den Einflussbereich ihrer christlichen Nachbarn. Aus dem Westen drohten Ihnen die deutschen Landesfürsten (Sachsen ab 918, mit der Mark der Billunger) und die ostmärkischen Markgrafen (Brandenburg ab 1150), beide Teil des HRR, vom Norden her die Dänen (spätes 12. Jahrhundert, König Knuth VI.) und seit etwa 960 aus dem Südosten die polnischen Piasten, deren Vasallen die slawischen Pommern 979 wurden.

Die Pomoranen leisteten vehement Widerstand gegen Unterwerfungs- und Christianisierungsbestrebungen ihrer Nachbarn. Nach mehreren erfolgreichen Volksaufständen, in denen sie sich ihre Freiheit erkämpft hatten, wurden sie schließlich von Boleslaw Schiefmund in drei Feldzügen zwischen 1116 – 1121 unterworfen. Dieser ließ die Pomoranen durch den Deutschen Otto von Bamberg christianisieren. Auch setzte der polnische Souverän den Pommernfürsten Wartislaw I. als seinen Vasallen in Stettin ein. Er stammte aus der Greifen-Dynastie, die sich bis zum Aussterben in männlicher Linie bis 1637 in Pommern behaupten konnte.

1135 durch die Erfolge des polnischen Fürsten in Mecklenburg und Vorpommern ermutigt und um seinen Einfluß bei den Elbslawen fürchtend, zwang Kaiser Lothar III. Boleslaw seine Lehnsherrschaft über Pommern anzuerkennen und vergab dieses mit Rügen an ihn als römisch-deutsches (kaiserliches) Lehen bis 1137.

Während der Wendenkreuzzüge unterwarf Heinrich der Löwe um 1164 die Fürsten von Stettin und wurde Lehnsherr Pommerns. 1181 unterwarf er sich nach einem verlorenen Krieg seinem Vetter, Kaiser Friedrich Barbarossa. Er verlor seine Macht im Reich und alle seine slawischen Lehnsherrschaften und ging einige Jahre ins Exil nach England. Der pommersche Herzog Bogislaw I., vom Dänen Waldemar I. bedrängt, und da er von Polen keine Hilfe erwarten konnte, 1177 Treffen mit dem Seniorherzog Mieszko III. von Polen in Gnesen, stellte sich 1181 unter den Schutz des Kaisers als reichsunmittelbarer Herzog Pommerns. Pommern wurde Reichslehen, die pommerschen Herzöge in den Rang deutscher Reichsfürsten erhoben.

Pommerellen unter den Samboriden

Pommerellen stand seit 1138 nominell unter dem Einfluss des polnischen Senior-Herzogs und seit 1269 auch Brandenburgs. Am Ende des 12. Jahrhunderts entstand die slawische Samboriden-Dynastie, die bis 1294 über Pommerellen herrschte. Spätestens seit 1227 waren die pommerellischen Herzöge von den piastisch-polnischen Seniorherzögen aus Krakau unabhängig (Tod von Seniorherzog Leszek den Weißen). Der letzte unabhängige Herrscher in Pommerellen, Mestwin II., schloß 1282 mit dem großpolnischen Herzog und späteren König von Polen, Przemyslaw, in Kempen (Ke;pno) einen Vertrag, auf dessen Grundlage dieser nach dem Tode Mestwins am 25. Dezember 1294 sein Erbe in Pommerellen und Danzig antrat. Schließlich wurde das Land 1308 vom Deutschen Orden erobert und war damit für Polen bis 1466 verloren. Um der Okkupation den Anschein der Legalität zu verleihen, kaufte der Orden den Brandenburgern ihre Ansprüche an Pommerellen (siehe auch Vertrag von Arnswalde) ab, die jedoch umstritten waren. Die Annexion vergiftete für fast zwei Jahrhunderte das deutsch-polnische Verhältnis in dieser Region, und führte zu kriegerischen und juristischen Auseinandersetzungen Polens mit den Deutsch-Ordens-Rittern.

Die Expansion der Mark Brandenburg gen Osten auf polnisch-piastische Gebiete führte 1250 zum Verlust von Lebus und 1252 – 1271 zur Entstehung der Neuen Mark, als Gegenstück zur Altmark. Polen wurde um 1250 für Jahrhunderte definitiv von der Odergrenze abgedrängt, trotz Rückeroberungsversuchen unter König Wladyslaw Ellenlang Anfang des 14. Jahrhunderts.

Konrad von Masowien und der Deutsche Orden

Der polnische Herzog Konrad von Masowien begann seinen Machtbereich auf eigene Hand zu erweitern. Das pruzzische Gebiet um Kulm war sein Kriegsziel. Die Expansion auf Kosten seiner heidnischen Nachbarn wurde jedoch zu einem Fiasko. Er verlor seine Eroberungen wieder und wurde nun seinerseits vom erwachten Nachbarn bedroht.

Da er zudem in Konflikte mit den anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete er den Blick auf den Deutschen Orden, der 1225 aus Ungarn vertrieben wurde, weil er in Siebenbürgen im Kampf gegen heidnische Steppenvölker, Kumanen, einen eigenen Staat gründen wollte. Im Jahre 1226 bat Konrad von Masowien den Deutschen Orden um Hilfe und versprach ihm das Kulmer Land als herzogliches Lehen, als Gegenleistung und Ausgangsbasis für ihren Kampf gegen die Heiden. Ob und inwieweit die zu erobernden Gebiete gemäß der Vereinbarung dem Orden zustanden, ist bis heute unklar und hat in der Vergangenheit zu großen Streitigkeiten zwischen deutschen und polnischen Historikern geführt. Um sich gegen eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn abzusichern, ließ sich der Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, von Kaiser Friedrich II. im März 1226 den Besitz des Kulmer Landes und aller zu erobernden Gebiete mit der Goldenen Bulle von Rimini bestätigen. Zusätzlich schloß der Orden am 16. Juni 1230 einen seperaten Vertrag mit dem Herzog von Masowien, der ihm das Land zur freien Verfügung stellte. (siehe auch Vertrag von Kruschwitz).

Mit dem Auftauchen des Deutschen Ritterordens im Pruzzenland, entwickelten sich im Mittelalter aus den Mönchsrittern die „Erzfeinde“ Polens, später auch Litauens.

Quelle: Wikipedia