Kirchen- & Religionsgemeinschaften

Über 90 % der Polen glauben an Gott. 50 % praktizieren ihren Glauben regelmäßig (Beichte, Teilnahme am Gottesdienst und tägliches Beten) bzw. empfangen ihren Pfarrer zu Besuch um die Weihnachtszeit. Der Rest praktiziert seinen Glauben nicht, sondern beschränkt das Christsein auf religiöse Feiertage sowie Geburten, Trauung und Tod.

In letzter Zeit stehen immer mehr Menschen der Religion gleichgültig gegenüber. Sie interessieren sich nicht für ein religiöses Leben. Soziologen sprechen in diesem Fall von Laisierung der Gesellschaft, wofür die rasante wirtschaftliche Entwicklung und das westliche Konsumverhalten verantwortlich sind.

In Polen gibt es gegenwärtig 138 offiziell registrierte Kirchen und Glaubensgemeinschaften.

Von allen Gläubigen sind 95 % in der katholischen Kirche. Unter den vier Glaubensrichtungen byzantinisch-ukrainisch, Neounion, armenisch und römisch-katholisch hat die letzte die meisten Anhänger: 1998 waren es über 35 Mio. in 9990 Gemeinden mit 28 000 Geistlichen. Übrigens: Das Konzept der Neounion zielte auf die Vereinigung der nach dem Ersten Weltkrieg nun in die Zweite Republik wieder zu integrierenden Orthodoxen mit der katholischen Kirche. Das betraf die nordöstlichen Gebiete, die wieder polnisch wurden: Podlasien und Polesien sowie das Gebiet bis Wilna.

Kraft der Bulle von Papst Johannes Paul II. wurde Polen 1996 in 40 Diözesen, 13 römisch-katholische Bistümer und ein byzantinisch-ukrainisches Bistum geteilt. Die Kirchengewalt in den Diözesen üben Bischöfe aus, die jeweils ein Episkopat bilden. Der Vorsitzende des Episkopats ist seit 1981 der polnische Primas Kardinal Józef Glemp. Wie auch im Ausland wirken in Polen zahlreiche Organisationen und seelsorgerische Institutionen (z. B. die polnischen katholischen Missionen, die vor allem in Entwicklungsländern agieren), Institutionen der Katechese (in denen u. a. der Religionsunterricht für Schulen organisiert wird) sowie einige Klosterorden für Männer bzw. Frauen. Dazu gehören Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner, Salesianer, Redemptoristen, Graue Schwestern und die Barmherzigen Schwestern.

Neben der katholischen Kirche gibt es in Polen weitere christliche Kirchen sowie viele kleinere Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Die polnische orthodoxe Ostkirche ist die zweitgrößte offizielle Glaubensgruppierung. Sie zählt 550 000 Gläubige und 320 Geistliche. Die Gläubigen sind vor allem Vertreter der belarussischen Minderheit in Ostpolen.

Die drittgrößte Christengemeinschaft wird von Protestanten gebildet. Die evangelisch-augsburgische Kirche zählt über 85 000 Gläubige (darunter viele Deutschstämmige), die Pfingstbewegung 17 000 und die Siebenten Tag Adventisten (STA) 10 000. Andere protestantische Glaubensrichtungen vereinen nicht mehr als jeweils 5000-6000 Gläubige.

In Polen sind auch altkatholische Kirchen tätig, die mit der römisch-katholischen Kirche nicht verbunden sind. Es sind dies die Altkatholische Mariavitenkirche, die Polnisch-katholische Kirche, und die Katholische Mariavitenkirche. Alle drei zusammen zählen 50 000 Gläubige.

Die Zeugen Jehovas haben 130 000 Anhänger.

Weitere religiöse Gruppierungen in Polen: die Moslemische Vereinigung (Islam), die Vereinigung der Jüdischen Gemeinden (Judentum) und die karaimische religiöse Vereinigung. Die letztgenannte Religion ist aus der Verbindung des Judentums mit dem Islam hervorgegangen. Ihre Gläubigen sind Vertreter der türkischen Minderheit. Eine relativ große Gruppe von Gemeinschaften knüpft an östliche Religionen an, z. B. die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON) und die Buddhisten.

Die polnische Religiösität findet ihren Ausdruck in der Ausübung traditioneller Praktiken und Rituale wie Pilgerfahrten zu heiligen Stätten, liturgische Prozessionen (z. B. zu Fronleichnam), Exerzitien während der Advents- und Fastenzeit sowie Kirchweihen. Eine besondere Rolle erfüllt der Kult der Muttergottes, von der insbesondere das Bild der Schwarzen Madonna in Częstochowa (Tschenstochau) sowie das der leidenden Gottesmutter in Lichen verehrt werden. Der Kult wird weiterhin in vielen, kleineren Marienheiligtümern in ganz Polen lebendig gehalten.

Die polnische Religiosität hat 1978 nach der Wahl von Karol Wojtyła, dem Krakauer Erzbischof, zum Papst eine ganz neue Dimension bekommen. Der polnische Papst, der den Namen Johannes Paul II. annahm, hat die katholische Kirche stark revolutioniert, indem er sie für die Probleme der Welt öffnete. In Polen genießt er besonders hohes Ansehen und seine Tätigkeit wird im Kontext bedeutender sozial-politischer Umwälzungen gesehen, die in den 80er Jahren stattfanden. Der Papst ist und bleibt eine unumstrittene moralische Instanz – und dies nicht nur für die gläubigen Polen.

Die polnische katholische Kirche ist eine Institution, die mit der polnischen Eigenstaatlichkeit eng verknüpft ist. Das erste wichtige Datum in der Geschichte des polnischen Staates ist 966 der Empfang der Taufe durch den Fürsten der Polaner, Mieszko I. Der Aufbau staatlicher Strukturen ging einher mit der Verbreitung des Christentums sowie der Bildung einer kirchlichen Verwaltung auf polnischem Gebiet. Seit Mieszkos Taufe förderte die Kirche die Einheit des polnischen Staates und seine Unabhängigkeit, was in den Zeiten, als Polen kein souveräner Staat war (1795-1918, 1939-1945 und unter kommunistischer Herrschaft) eine besondere Bedeutung hatte.